7./8. Tag: Die „russischste Stadt Europas“ und die Entscheidung

Am Freitagabend waren wir erstaunt: Um 2255 Uhr verabschiedete sich die Band mit einem letzten Stück, keine Zugabe und eine knappe Stunde später war totale Ruhe, alle waren weg und der Platz „picobello“ aufgeräumt…Die Nacht war OK, immer wieder vernahmen wir ein lautes Grollen in der Nacht.

Wir schauten natürlch gleich, wie es unserem Expeditionshund ging. Sie war seht wackelig auf den Beinen. Sie hat ja eh kaum noch Kraft in den Beinen – da kommt Diazepam als Muskelrelaxans natürlich nicht so gut. Sie sackte immer hinten zusammen. Wir gaben ihr – nach Verordnung der Ärztin – weiterhin die Dosis 5mg und innerhalb weniger Minuten (das Zeug wirkt ja so megaschnell), wollte sie eigentlich wieder nur schlafen. Dazu verkroch sie sich in den Schatten unter unser Fahrzeug

Wir hatten sie natürlich überlisten müssen und die Medis in Vanilleeis und Leberwurst vermischt. Zwei Dinge, sie sie zwar super gern hat, aber nicht verträgt.

Gegen Nachmittag baute man auf dem Platz, der übrigens „Grill ´n´ chill“ heißt, das Equipment für den Karaoke-Abend auf. Auch füllte sich der Platz wieder und um 17 Uhr war die gleiche Anzahl Menschen da, wie tags zuvor…Auch die Musik des DJ´s war jetzt schon lauter und „russischer“ als am Abend davor.

Wir wollten uns ein gezapftes Bier an einem der beiden Stände holen, jedoch wies man uns ab. Mit gebrochenem Englisch und russischen Fragmenten erfuhren wir, dass es hier erst ab 18Uhr Getränke geben würde…

Da sprach uns ein relativ junger Mann mit den Worten „Hey, Guys!“ an. Er winkte und forderte uns auf, ein grünes Armband von ihm zu tragen, da wir als Platzgäste ja Teilnehmer des Karaoke Festivals seien. Wir machten die Armbänder fest und fragten ihn, was man denn auf „Lettisch“ sagen muss, um hier gezapftes Bier zu bekommen?

„Why do you want to do that?“ Äh, was jetzt…ein Bier bestellen?

„No. you can´t order in latvian – nobody understands that here! You have to speak russian!“

Er ging mit uns zum Kiosk und pries uns dunkles Bier oder „wieder“ dieses fiese Brotbier, was hier allerdings „kwas“ heißt, an Wild gestikulierend versuchte ich ihm zu erklären, dass wir unbedingt „helles“ Bier, oder Lager wollten.

Es klappte. Wir tranken unser Bier und – um etwas ganz anderes zu machen – meldete ich mich beim Karaoke an….Nach 5 schiefen Liedern (3 davon von völlig talentfreien Interpreten vorgetragen) war ich dann an der Reihe und haute „Johnny B. Goode“ raus. Dieses Lied kann ich im Schlaf singen – ich wusste ja nicht, was der RussenDJ für ein Equipment hat und wie mir der Text angezeigt wird. Ich ging also kein Risiko ein, das haute alles auch gut hin, es wurde sogar getanzt und geklatscht.

„Johnny B. Goode – performt vom Sänger von „Treibholz“ in der russischsten Stadt der Europäischen Union: Daugavspil“

Wir gingen dann nach 25 Minuten zurück zum Reisemobil und wir fanden unsere Hündin aufgeregt im Mobil vor. Die Musik war auch mittlerweile noch krasser und lauter geworden, so dass auch wir keine Lust mehr auf das Spektakel hatten und alles einräumten. Wir gaben unserer Bordhündin eine weitere Dosis für die Nacht und hofften, dass sie dann ähnlich entspannt die Nacht wie die vorherige überstehen würde. Leider erbrach sie sich innerhalb von wenigen Minuten – kein Wunder, die Eingangs erwähnten Lebensmittel (Eis und Leberwurst) zeigten ihre Wirkung -und somit war die Dosis “ unbrauchbar. Da sie aber auch ohne Sedierung in ihr Nest ging, folgten wir ihrem Beispiel und taten es ihr gleich. Es waren noch schwere 2 Stunden, aber auch diesmal war wieder um 23Uhr das letzte Lied, die DJane dankte allen Beteiligten und es war innerhalb weniger Minuten Ruhe…Verrückt.

In der Nacht musste Cindy dann noch zweimal raus und es wurde dadurch eine kurze und unruhige Nacht.

Allerdings zeigte sich unsere alte Hundedame heute dann sichtlich erholt. Der „Linksdrall“ beim Laufen war bedeutend weniger geworden, sie hatte mehr Kraft in den Hinterläufen und insgesamt machte sie einen sehr „aufgeweckten“ Eindruck.

Während des Frühstücks schmiedeten wir dann unseren heutigen Plan mit mehreren „fall-back“ Optionen, sollte sich die Situation doch wieder verschlechtern. Wir wollten erstmal den Versuch wagen, weiter gen Norden zu fahren, sollte die Situation kippen, würden wir so auf eine „1.Kategorie Straße“ ohne Rumpelei in Richtung Riga kommen, um dort angemessene ärztliche Versorgung in Anspruch nehmen zu können.

Wir tankten auf der Route und ich machte eine Grauwasserentsorgung nach altbewährtem Osteuropa-Rezept, nämlich in einer modernen Auto-Wasch-Box (so bin ich mir ziemlich sicher, dass die Abwässer ordnungsgemäß dem Kreislauf zugeführt werden). Wir hatten vorher recherchiert, dass man in Lettland das Trinkwasser aus der Leitung auf keinen Fall trinken kann und mussten noch irgendwie sehen, wie wir an Wasser kamen. Die WHO sagt zwar, dass man das Wasser aus Gründen der Keimbelastung nicht trinken kann (dass wäre uns mit unserem Militärfilter jedoch egal), mir machte aber eher der fiese Eisen- oder Schwefelgeruch sorgen. Das wollte ich auf keinem Fall im Tank haben und damit Duschen.

Wir fuhren etwa eine Stunde und es klappte Prima mit Frau Hund, sie war entspannt obwohl sie nichts gegessen hatte (das kennen wir, wenn ihr schlecht ist und erbricht, dann isst sie 2 Tage nicht!) und somit auch keine Medikamente erhalten hatte. An einem See machten wir Pause und beschlossen nach einer kleinen Hunderunde, die Kate mit ihr gemacht hatte, eine meiner – in dieser kurzen Zeit – ausbaldowerten Optionen zu wählen und noch weiter in Richtung Estland und dem Peipus-See (größter Grenzsee zu Russland) zu fahren.

Auf den einschlägigen Navi-Geräten / Software kann man jedoch nicht erkennen, in welchem Zustand die Straßen sind und somit waren wir froh, echte Straßenkarten des World-Mapping-Projects (für Overlander) dabei zu haben. Hier konnten wir sofort erkennen, dass uns Google, TomTom und CO direkt nach Norden über Schotter und „Wellblech-„Pisten geführt hätten. Wir wählten eine vermeintliche Nebenstraße, die jedoch eine geschlossen Decke haben sollte. So war es und wir kamen relativ entspannt in Balvi (einer Stadt im Osten Lettlands in der Region Latgale – 40km vor Russland und 140km vor dem Peipus-See (Estland)) an. Hier besuchten wir den örtlichen „Maxxima X“ Supermarkt und waren froh, dass alle Geschäfte – selbst hier in der Provinz – auch sonntags bis 22 Uhr geöffnet sind. Unser Wasserproblem war dementsprechend gelöst. Entsorgt an einer Waschanlage – checked! Frischwasser aufgenommen in 10x5L PET-Flaschen á 0,69€ – checked! Somit hatten wir jetzt wieder über 100L Wasser und könnten wieder locker 4-5 Tage frei stehen.

50 Liter für 6,90€ ist zugegeben10L zugegebenermaßen kein Schnapper, allerdings fallen sonst ja auch Kosten für z.B. Übernachtungen an, wenn wir frei stehen und wir wollten heute 5km ausserhalb von Balvi auf einem Badeplatz stehen.

Hier angekommen machte ich uns Spaghetti und ne „Bord-Bolo“ und während ich diese Zeilen tippe, haben sich die beiden Damen ein wenig hingelegt und schlafen. Ich bin froh, dass sie schlafen. Kate hat sich die letzten Tage nur um unsere Hündin gekümmert und echt aufgeopfert…und ich hoffe, dass sich beide erholen…insgeheim denke ich, „habe ich uns zu viel mit dieser Reise zugemutet? Wir sind schon viel unterwegs…“ Dann aber lasse ich die tollen Eindrücke, Bilder und Landschaften der letzten Tage an mir vorbeiziehen indem ich für den Blog Bilder sortiere und hochlade und stelle fest, dass es sich lohnt! Aber wir werden einen Gang runterschalten, kleinere Etappen machen, längere Pausen und vielleicht auf einige Highlights verzichten…Aber ihr kennt das ja bereits: Eine Reise ist nicht wirklich planbar, nicht vorhersehrbar und wird erst durch Abzweigungen und Abwägungen zu einer Reise…. In diesem Sinne entspannen wir uns jetzt alle ein wenig und freuen uns auf die Dinge, die da kommen.

Etwas Lustiges zum Abend passierte uns auch noch. Auf dem Abendspaziergang ärgerten wir uns über den Müll, den andere Besucher hier gerade auf den Sitzbänken, bzw. in der Grillhütte zurück ließen. Den Müll, der hier von einer Familie bei der uns am nächsten gelegenen Sitzbank zurückgelassen worden war, räumte ich in den 10m daneben stehenden Müllcontainer. Wir wollten mit gutem Willen vorangehen und getreu dem Motto vieler „Overlander“ – Nimm deinen Müll wieder mit und wenn vorhanden, auch den deiner Vorgänger, damit es nicht irgendwann Verbotsschilder gibt – handeln. Die Familie war jedoch vor zwanzig Minuten mit dem Auto die 50m von der Sitzgruppe zum „Strand“ gefahren. Gerade hörten wir, wie der Junge weinte und seine Mutter nur zur Sitzgruppe deutete – offensichtlich hatte er seinen Saft und seine Kekse dort aus Versehen vergessen und nicht absichtlich stehen lassen. Der Junge kam weinend wieder zur Mutter, sie schüttelte den Kopf, ging dann selber hoch, kam wieder runter und die ganze Familie stieg ins Auto und fuhr zur Sitzgruppe. Vati guckte auch nochmal aus dem Auto fand aber auch nichts und sie zogen ab…Vermutlich glauben sie jetzt an lettische Waldgeister.

Hier sind dann noch die beiden Videos Teil 4 (Vilnius) und Teil 5 (Karaoke und Balvi)

Ein Kommentar zu “7./8. Tag: Die „russischste Stadt Europas“ und die Entscheidung

  1. Hallo, es war ein wunderschönes Video und ein ganz toller Bericht. Besonders der Sänger, wir nehmen ihn unter Vertrag. Wir hoffen, dass es mit Cindy nicht schlimmer wird. Danke euch eine gute Nacht und weiterhin gute Reise. Wir denken an euch.

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